Prinzipien
O-Sensei betonte immer wieder, dass sein Stil keiner schon bestehenden Schule angehört, sondern auf dem Prinzip der natürlichen Bewegungen, die er unabhängig entwickelt hat, basiert.
Die Grundprinzipien besehen daraus den Angreifer aus dem Gleichgewicht bringen und die dessen Angriffskraft durchlassen und aufzunehmen bzw. für sich zu nutzen.
„Mein Meister sagte immer: Solange du dich gut fühlst und sicher stehst und das Prinzip immer noch Aikido ist, ist alles richtig.“ Das hängt damit zusammen, dass jeder Mensch von der Struktur, Körperbau, Masse, Gelenkigkeit etc. anders ist. Daher lässt sich auch nicht verallgemeinern, was richtig oder falsch ist. Das muss im Endeffekt jeder für sich selbst herausfinden, ohne dabei die Prinzipien des Aikido aus den Augen zu verlieren.“ - Susan Pery –
Man muss sich nicht auf alle Prinzipien konzentrieren, um Geit und Körper vereinigen zu können, ganz im Gegenteil. Da die Prinzipien alle dasselbe Ziel haben, braucht man nur eines zu befolgen. Wenn man eines der Prinzipien befolgt, befolgt man automatisch auch die anderen und umgekehrt.
Prinzipien:
Den Einen Punkt halten
Der eine Punkt ist ca. drei Finger unter dem Bauchnabel. Unseren Geist sollte man in diesem Punkt sammeln. Wenn man den einen Punkt im Unterbauch mit dem 3. Auge (Punkt zwischen den Augenbrauen) verbindet, findet man seine eigene Mitte. Um seinen Geist unendlich ruhig werden zu lassen, kann man den Einen Punkt in Gedanken immer weiter verkleinern, bis man ihn sich nicht mehr vorstellen kann.
Das Gewicht unten halten
Nach dem Gesetzt der Schwerkraft, weisst das Gewicht aller Dinge Richtung nach unten, wenn dies nicht so ist, haben wir Spannungen im Körper. Oft vergisst man dies, da es eines der natürlichsten Dinge ist.
Ki fliessen lassen
Ki ist Lebensenergie, die Grundeinheit von allen Lebewesen. Ki ist die unendliche Menge kleinster Teilchen.
Es wird unterschieden von persönlichen Ki und Ki des Universums.
Man tauscht sich ständig mit dem Ki des Universums aus. Je mehr Ki man abgibt, umso mehr Ki kann man wieder aufnehmen. Wenn dieser Austausch jedoch behindert ist, entsteht Vitalitätsverlust, Depressionen, oder ein allgemein schlechter Gesundheitszustand.
Um eins zu werden mit dem Ki des Universums muss man zuerst Geist und Körper vereinigen.
Timing
Timing ist die Koordination von den einzelnen Körperbewegungen mit einer maximalen Wirkung. Die Voraussetzung für grösst mögliche Präzision ist das Timing. Ohne dies entsteht keine Präzision und für das wirkliche Gelingen einer Technik, ist dies essentiell.
Richtige Distanz (Ma Ai)
Die richtige Distanz zum Angreifer ist ca. eine Armlänge. Ein gutes Distanzgefühl ergibt automatisch auch ein verbessertes Timing.
Richtige Atmung
Am besten durch die Nase ein- und ausatmen.
Bei Bedarf wie z.B. unter grosser Belastung, kann man auch durch die Nase ein- und durch den Mund ausatmen. Wichtig ist nie durch den Mund ein zu atmen. Die Nase hat wichtige Funktionen wie z.B.: Filterfunktion, Wärmeregulation, Befeuchtung der Atemluft.
Haltung
Um möglichst flexibel zu bleiben, sollte man etwas in die Knie gehen und den unteren Rücken bzw. das Becken fallen lassen, damit der Rücken ganz gerade ist. Die Körperhaltung sollte immer natürlich und entspannt sein.
Entspannung
Wahre Entspannung ist der stärkste Zustand, welcher durch Muskelkraft nie übertroffen werden kann. Entspannung heisst jedoch nicht Erschlaffung, dies wäre der schwächste Zustand. Durch Entspannung entsteht automatisch auch Geschwindigkeit.
Den Partner/Angreifer sollte man so entspannt und sanft wie möglich halten. Wenn man den Partner zu fest festhält, überträgt man Informationen, welche das Gegenüber zu seinem eigenen Vorteil nutzen kann.
Widerstandslosigkeit und Nachgeben
Selbst der stärkste und grösste Baum biegt sich im Wind, ohne dabei umzufallen. Dies beschreibt genau die Haltung gegenüber dem Angriff, der auf uns zukommt. Anstatt sich gegen den Angriff zu wehren und zu versuchen, Widerstand zu leisten, sollte man der natürlichen Richtung der Bewegung folgen und diese ausnutzen. Wahre Entspannung entsteht dann, wenn wir uns der Situation anpassen und uns dem nicht widersetzen, was ist. Stets das Beste daraus machen, was auf einen zukommt. Es ist eine Kunst, das Gesetz der Widerstandslosigkeit anzuwenden und trotzdem stark wie ein Baum zu sein.
Man sollte sich mit einem Angreifer bzw. einem Angriff nicht konfrontieren. Konfrontationslosigkeit beinhaltet einen offenen Blick zu haben. Damit ist gemeint, dass man nichts mit den Augen fixiert, insbesondere nicht den Angreifer bzw. auch den Angriff des Gegenübers nicht. Man sollt alles um sich herum wahrnehmen.
Hiermit ist nicht nur die körperliche Zentrierung und Gleichgewicht gemeint, sondern auch die psychische Stabilität.
Als erstes muss man sich selbst und die eigenen Bewegungen kontrollieren können, bevor man diejenigen des Gegenübers führen kann. Um einen Angreifer kontrollieren bzw. führen zu können, muss man in seinem psychischen und physischen Zentrum sein.
Körperwissen und Wissen aus seinem Inneren
Verstehen ist eindimensional und beinhaltet Intellekt (Kopf). Doch Erkennen ist dreidimensional und beinhaltet sowohl den Kopf, aber auch unsere Intuition. Von Anfang an lernen wir Informationen von aussen aus zweiter Hand zu sammeln. Doch diese Art der Informationsbeschaffung führt dazu, dass wir mit der Zeit vollgestopft sind mit lauter Informationen und Vorurteilen. Man glaubt alle möglichen Fakten, doch wirklich wissen tut man nur sehr wenig. Der Weg beginnt damit, sich von allem zu befreien und sich von allen Informationen, Vorurteilen und Verhaltensmuster zu lösen.
Wir sollten aufhören, ständig auf der Flucht von negativen Gedanken oder Gefühlen zu sein und auf die richtigen Gefühle und Gedanken zu warten. Stattdessen sollten wir uns mehr auf unseren Körper und unsere Handlungen konzentrieren und unsere Gedanken und Gefühle einfach durch uns hindurch fliessen lassen. Sie sollen unser Handeln nicht beeinflussen und wir sollten nicht von ihnen beherrscht werden. Das heisst nicht, dass man sie unterdrücken soll, ganz im Gegenteil, man soll sie durch und durch leben, sie kraftvoll und vollständig ausdrücken, aber danach solle man sie wieder vollständig loslassen und ihnen nicht anhaften. Mit dieser Haltung gewichtet man seine Gedanken nicht mehr so stark und sie haben keine Macht über uns. Das Ziel ist es, die Welt um uns herum, ohne Einmischung von Gedanken, wahrzunehmen. Nicht unsere Gefühle und Emotionen müssen wir ändern, sondern unser Verhalten und unsere Handlungen. Wir dürfen unsere Gedanken nicht mit der Wirklichkeit verwechseln.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Klarheit. Alles, was wir tun und entscheiden sollte zielgerichtet sein. Mit den Entscheidungen, welche wir treffen, müssen wir leben und zwar ohne Reue. Wenn wir Entscheidungen fällen, müssen wir uns immer den Konsequenzen bewusst sein. Ein chinesisches Sprichwort lautet:
„Wen du sitzt, dann sitze. Wenn du stehst, dann stehe. Was du auch tust – niemals schwanken!“
Was auf den ersten Blick abstrakt klingt, ist etwas essentielles für die gesamte Entfaltung unserer Fähigkeiten und Potentiale. Es ist nicht das Sterben im körperlichen Sinne gemeint. Sterben bevor man stirbt, beschreibt das Loslassen des „Ichs“, des Egos in uns. Man hat jeglichen Gedanken losgelassen und wird frei, spontan und lebendig, ohne Angst, Ehrgeiz oder Hemmungen.
Eine weitere Kunstform ist, im Augenblick zu leben. Einer der wichtigsten Eigenschaften im Angesicht eines Kampfes. Wo befinde ich mich? Hier. Welche Zeit haben wir? Jetzt. Diese zwei Fragen führen uns von den Gedanken an die Vergangenheit oder der Zukunft weg, in den jetzigen Augenblick. Denn Gedanken existieren nur in der Zukunft oder in der Vergangenheit, genau wie unsere Probleme. Man sollte vollkommen präsent sein und alles um sich herum wahrnehmen.